In meinem Kopf klingt noch die letzten Akkorde von 'Auf der Reeperbahn nachts um halb Eins' als um 7:30 Uhr der Motor anspringt und ich noch verschlafen und etwas orientierungslos an die Vorleinen springe. Das Hafenfest hatte eine wirklich gute Band eingeladen und die Caipirinhas haben über das regnerische Wetter hinwegsehen lassen. Aber es hilft nichts, vor uns liegen 100 Seemeilen, das Ziel ist Dänemark, wir müssen los. Ohne Frühstück und noch etwas benommen starten wir bei 5 Beaufort auf die Ostsee. Die Segel stehen, das Boot läuft 6,5 Knoten und wir sind selig in unserem Element.
Der Wind weht aus SSW mit Spitzen bis zu 25 Knoten. Und zunächst sieht es auch nicht so aus, als würde sich das ändern. Zumindest nicht nach unten. Schnell treffen wir die richtige Entscheidung und binden das erste Reff ein. Unsere Hanse läuft nun deutlich ruhiger und kein Stück langsamer. Aber es dauert keine Viertelstunde und wir müssen auf den zunehmenden Wind reagieren. Jetzt rächt sich, dass wir noch keine Gelegenheit hatten eine neue Leine für das 2. Reff zu besorgen, das Einbinden gestaltet sich als etwas schwierig. Aber auch das schaffen wir ohne größere Aufregung und gegen 10 Uhr laufen wir bei fast Rumfgeschwindigkeit ruhig unseren Kurs 318°. Zeit zum Frühstücken. Auch dieses Manöver stellt uns vor neue Herausforderungen, wir müssen akzeptieren, dass bei Welle, Schräglage und voller Fahrt alles etwas länger dauert und mit einer gewissen Anstrengung verbunden ist.
Kaum haben wir Rügen hinter uns gelassen, werden die Wellen länger und rollen unter uns hinweg. So ruhig laufen wir jetzt nicht mehr und ich muss - zur Wahrheit verpflichtet - gestehen, dass ich das erste Mal in meinem Leben seekrank bin. Ich wechsele zwischen Cockpit und dem einzigen Ort unter Deck, an dem man liegen kann, aber ich kann nicht verhindern, dass mein Frühstück Fischfutter wird. Ein kurzer Powernap später bin ich aber wieder fit, stecke mir Kopfhörer ins Ohr und übernehme für die nächsten 2 Stunden die Wache an der Pinne. Es ist ein wunderschöner Segeltag und wir machen gute Strecke.
Die neuen Herausforderungen für den heutigen Tag sind neben der Sonne, die wir wegen des Fahrtwinds komplett unterschätzt haben, Windräder. Und gleich dutzende davon. Unser Kurs führt uns zwischen zwei riesige Windparks hindurch und ich muss immer wieder daran denken, dass es nicht gerade wenig Menschen gibt, die diese Stromerzeuger hässlich und störend finden. Nun schön ist vielleicht nicht das erste Wort, dass mir bei dem Anblick einfällt, aber ich denke immer an die Zukunft und freue mich über sauberen Strom. Die Dänen scheinen das genauso zu sehen, dann Windräder und -parks bleiben für die nächste Zeit fester Bestandteil der Ostseelandschaft.
Gegen 17 Uhr nimmt der Wind wieder deutlich ab und um 18:30 Uhr haben wir schon komplett ausgerefft und müssen den Motor starten. Kopenhagen ist noch 30 Seemeilen entfernt und nicht mehr im Hellen zu erreichen. Wir entscheiden nach Skanör auszuweichen, einem kleinen Fischerort in Schweden. 20:30 Uhr laufen wir in die völlig überfüllte Marina ein und es dauert einen Moment, bis wir die letzte freie Box entdecken und uns reinquetschen. Glück gehabt!
Der kleine Fischerort entpuppt sich als beliebtes Ziel für bessergestellte Schweden: Champagner, Porsches und fancy Restaurants prägen das Hafenbild. Aber auch ein vielleicht 10-jähriger Junge, der auf einem Saxofon tollen Jazz spielt. Hut ab für den Mut, aber ich bin mir sicher, dass er damit die ein oder andere schwedische Krone verdienen wird... wenn denn noch jemand Bargeld dabei hat. Denn die nächste Herausforderung an diesem Tag ist das Bargeldlose bezahlen. Die Marina akzeptiert nur Kreditkarte und das auch nur am dafür aufgestellten Automaten und im Restaurant bestellen und bezahlen wir per App.
Um 22 Uhr fallen wir gesättigt von frittiertem Hering und Kartoffelbrei ins Bett. Hinter uns liegt ein toller, aber anstrengender Segeltag.
Datum:
Gesegelte SM:
Letzter Hafen:
Etappenziel:
01.07.2022
251
Lohme
Skanör
Wetter:
Wind:
sonnig
5-6 Bft SSW-S